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Porsche 356 Carrera Abarth GTL

Kulturelle Aneignung

Man hört so erzählen, dass Zagato ein halbes Dutzend Chassis-Nummern von verrotteten Porsche 356 aufgekauft habe. Und rund um diese Zahlen nun sechs Exemplare des Porsche 356 B/1600 GS Carrera GTL aufbaue. Nun, da läuft etwas in die ganz falsche Richtung. Es ist dies wieder einmal ein dämliches Spiel von Zagato, altes Auto, neue Karosse – das öffnet wieder einmal Tür und Tor für falsche Erwartungen. Denn man kann davon ausgehen, dass diese sechs Exemplare in einigen Jahren wohl als «echt» ausgegeben werden. Was die Besitzer (darunter auch das Porsche Museum) der tatsächlich echten Carrera Abarth wohl kaum erfreuen wird – und die ganze Geschichte ganz sicher nicht vereinfachen wird. Vor allem aber: Zagato hat gar nichts mit dem Porsche 356 B/1600 GS Carrera GTL – nichts! Was die Italiener unter Führung von Andrea Zagato da machen, muss man als – wieder einmal? – übelste Form von kultureller Aneignung bezeichnen. (Ja, wir haben da noch etwas mehr Hintergrundwissen, aber es ist halt wieder einmal: heikel.)

Doch schauen wir doch zuerst zurück: Man kannte sich, Carlo Abarth war einmal mit der Sekretärin von Anton Piëch verheiratet gewesen, der seinerseits mit der Schwester von Ferdinand Porsche verheiratet war. Über diese Bekanntschaft kam es wahrscheinlich auch zur Zusammenarbeit zwischen Porsche und Cisitalia, auch wurde der Österreicher Abarth schon früh Repräsentant von Porsche in Italien. 1959 klopften die Stuttgarter wieder an seine Tür – man brauchte dringend einen Sportwagen auf Basis des 356, der aber leichter und auch schneller war als die bisherigen Modelle.

Denn man hatte zwar einen feinen Motor, die Fuhrmann-Maschine (Projektnummer 547), je zwei über Königswellen angetriebene obenliegende Nockenwellen pro Zylinderreihe, Doppelzündung, Trockensumpfschmierung, zuerst 1,5 Liter, dann 1,6 Liter Hubraum (Konstruktionsnnummer 692). Die Maschine war gut für 105 PS in der Strassenversion, als GT gab es 115 PS, in der Rennversion bis zu 135 PS. Porsche wollte von Abarth aber kein Motorentuning und auch keine verfeinerte Auspuffendanlage, sondern: Design.

Das konnte Abarth selber nicht, also wandte er sich an Franco Scaglione. Der zeichnete ihm eine sehr strömungsgünstige Aussenhaut, die in Alu geschlagen deutlich leichter war als die leichtesten Reutter-Aufbauten (das erklärt dann das L in GTL); 780 Kilo wog so ein Carrera Abarth. Zagato hatte sich um den Auftrag bemüht, doch man zerstritt sich, bevor es auch nur annähernd so weit war. Anscheinend wurden die ersten Karosserien dann bei Viarenzo & Filliponi in Turin in Form geklopft, später soll dann der erfahrenere Rocco Motto übernommen haben. Und dies auch nur solala: Als der erste Abarth-Prototyp in Stuttgart eintraf, ging Porsche zuerst einmal in die intensive Nachbearbeitung. Neben der Bearbeitung der qualitativen Mängel musste vor allem der Motor mehr Luft haben, was das wild zerklüftete Heck dieser Carrera Abarth erklärt.

Genau 20 Stück lieferte Abarth aus Italien nach Deutschland. Der Preis war mit 25’000 D-Mark für damalige Verhältnisse horrend, trotzdem gingen die Carrera Abarth weg wie warme Semmeln; zwei Fahrzeuge wurden vom Werk eingesetzt. Und sie waren in ihrer Rennklasse von 1960 bis 1963 quasi unschlagbar, es gab Weltmeistertitel und Klassensiege in Le Mans, noch Jahre später waren sie sowohl bei regionalen Rundstreckenrennen wie auch am Berg gefürchtet.

Interessant ist, dass von den 20 Fahrzeugen heute noch alle existieren. Zwar wurde das Fahrzeug #1002 bei einem Unfall zerstört, aber später wieder aufgebaut. Nein, über Geld wollen wir in diesem Zusammenhang nichts schreiben. Das Fahrzeug, das wir hier zeigen, steht im so wunderbaren Revs Institute in den USA und gehörte einst dem Schweizer Siegfried Lang. Es war 1960 in Le Mans eingesetzt worden, unter Linge/Walter auch richtig schnell, doch es gab ein Problem: Der Carrera Abarth war oben sehr undicht (Italien) – und unten zu dicht (Deutschland). Weil das Rennen aber bei strömendem Regen durchgeführt wurde, sassen die beiden Piloten teilweise knöcheltief im Wasser. Was die Performance nicht verbesserte.

Noch einmal zurück zu Zagato: Interessant ist, dass auf der offiziellen Porsche-Webseite Zagato als Hersteller der Karosserien genannt wird (was aber eben und ganz sicher nicht stimmt). Das kann einfach ein Fehler sein – oder dann, nein, wir mögen es uns nicht ausmalen. Zagato selber hat Erfahrung damit, Porsche zu nachzubauen: 2012 entstanden eine nie genau kommunizierte Anzahl von «Sanction Lost», die auf Basis einer nie verwirklichten Zeichnung eines 356-Coupé und des berühmten Storez-Roadster erstellt wurden. Auch von den weitaus berühmteren Aston Martin DB4 GT Zagato produzierten die Italiener Nachbauten.

Wir haben da eine schöne Zusammenfassung zu «75 Jahre Abarth». Und auch das noch das Archiv.

2 Kommentare

  1. edi wyss edi wyss

    Guten Abend Peter
    Deinen Bericht finde ich sehr gut
    Ja diese ZAGATO Lügengeschichte ist kaum zu überbieten
    Marco Marinello (elevenparts) hat auch noch viel Infos zu diesem Thema
    Frage ihn einmal nach dem Briefwechsel ZAGATO-ABARTH etc.
    mit freundlichen Grüssen
    Edi

    • edi wyss edi wyss

      Grüezi Peter
      zur Ergänzung: Franco Scaglione hat Bertone 1959/1960 verlassen und sein erster Auftrag als Freelancer war eben dieser Carrera Abarth.
      Carlo Abarth hätte den ZAGATO Designer Scaglione angeheuert.
      Im Werkverzeichnis von Scaglione wird der Name ZAGATO nie erwähnt!
      Ein klarer Fall von Design Diebstahl vom ZAGATO Gesindel.
      mit freundlichen Grüssen
      Edi

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