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Fiat 1100 Familiare

Heuballen auf der Autobahn

Einen Fiat 1100 gab es schon vor dem 2. Weltkrieg, ab 1937, gebaut wurde er bis 1953. Dann kam der «Nouva 1100» auf den Markt – und Fiat konnte sich auf einen Schlag unter den erfolgreichsten Herstellern der Welt etablieren. Es war ein feiner Wagen, in seinem Segment – heute wohl mit der Mittelklasse zu vergleichen – etwas vom Besten, was man relativ bescheidenes Geld kaufen konnte.

In einem ersten Bericht vom 5. März 1953 nannte die Automobil Revue den Fiat 1100 ein «fahrendes Häuschen». Tatsächlich war der Innenraum des 3,78 Meter langen Italieners wahrlich grosszügig, hinten belief sich die Breite der Rücksitzbank auf 1,24 Meter – mehr als 30 Zentimeter mehr als beim Vorgänger. Der dabei ja auch noch 32,5 Zentimeter länger gewesen war. Auch direkte Konkurrenten wie der VW Käfer und der Renault 4 sahen im Vergleich mit dem Fiat alt aus.

Als Motorisierung musste der 1,1-Liter-Vierzylinder aus dem Vorgänger ausreichen. Chefkonstrukteur Dante Giacosa und sein Team hatten ihn aber stark überarbeitet, mehr auf Langlebigkeit denn auf Leistung getrimmt. 36 PS sorgten aber trotzdem für ansprechende Fahrleistungen, denn der Fiat 1100 wog nur knapp über 800 Kilo. Beim Fahrwerk spendierte Fiat dem 1100er vorne eine Einzelradaufhängung mit Trapez-Dreieckslenkkern und Schraubenfedern, hinten gab es ein Starrachse, die an Halbelliptikfedern geführt und gefedert wurde. Die Lenkung konstruierten die Italiener mit Schnecke und Rolle, die Automobil Revue beurteilte sie als «eine der bestkonstruierten Lenkungen überhaupt». Gebremst wurde wie damals üblich mit Trommeln, doch die Gesamtbremsfläche entsprach jener des Porsche-356-Modelle.

Die Automobil Revue war 1953 schon fast enthusiastisch: «Überraschend wirken besonders die geräuscharme, erschütterungsfreie Fahrweise sowie das rasche und weiche Ansprechen des Motors auf den geringsten Gaspedaldruck, die zusammen mit dem wesentlich gesteigerten Fahrkomfort vergessen lassen, dass man sich in einem Kleinwagen befindet». Kein Wunder, dass der «Nouva 1100» auch bald schon Rennsport-Karriere machte: Bei der Mille Miglia 1953 belegten die Fiat Platz 1 bis 21 in der Tourenwagenklasse.

Über die Jahre wurden die Fiat 1100 immer stärker und in vielen Bereichen verbessert, als die Produktion 1970 auslief, war der Italiener 48 PS stark und verfügte vorne über Scheibenbremsen. Es gab auch sportlichere Versionen, zumeist TV genannt, ein hübsches Coupé, diverse Spezialaufbauten der bekannten italienischen Carrozzieri. Aber schon ab 1954 war auch ein Kombinationskraftwagen erhältlich, als «Familiare» bezeichnet.

Es war ein wahrlich feiner Wagen mit richtig viel Platz. Das englische Fachmagazin «The Motor» verliebte sich auf Anhieb: «Im ersten Moment stellt man sich italienische Bauern vor, die mit einer Reisegeschwindigkeit von 120 km/h Heuballen auf der Ladefläche von einem Ende der Autostrada del Sole ans andere transportieren. Beim genauen Hinsehen fallen dann aber die umklappbaren Vordersitze, die Innenraumbeleuchtung mit drei Leuchten und der abblendbare Innenspiegel auf. Und schon kann man sich den Kombi vorstellen, wie er Familien in die Ferien fährt oder Freunde zum Angeln begleitet.»

Beim schönen Fiat 1100 Familiare, der am 25. März bei der Oldtimer Galerie in Toffen zur Versteigerung kommt, handelt es sich um ein Exemplar von 1959. Da war die Motorisierung noch nicht überbordend, wohl deshalb ist das Exemplar mit drei italienischen Vorbesitzern auch noch bestens erhalten. Der Schätzpreis liegt bei 12’000 bis 15’000 Franken, aber wirklich gepflegte Angelausflüge mit (vier) Freunden sind ja irgendwie nicht mit Geld zu «bewerten». Rund 1,8 Millionen Fiat 1100 wurden bis 1970 verkauft. Wobei, es waren viel mehr: In Indien wurde ein Lizenz-Fabrikat bis ins Jahr 2000 gebaut.

Mehr schöne Klassiker haben wir in unserem Archiv. Von der Auktion in Toffen hatten wir schon einem wunderbaren Opel Rekord und den Reliant Scimitar vorgestellt.

1 kommentar

  1. Sehr schön, ich bin auch Eigentümer des gleichen Familiare in der gleichen Farbe. Suche allerdings die kompletten Fenstergummis vorne, hinten auch alle seilichen Gummis kpl.
    Wer kann mir ev. Infos zukommen lassen..

    reimundloschen@t-online.de

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